Zahnerkrankungen und Ernährung bei Meerschweinchen und Kaninchen

Fressunlust oder Futterverweigerung ist einer der häufigsten Gründe, weshalb Tierhalter mit ihrem Kaninchen oder Meerschweinchen in die Praxis kommen.

Die Gründe hierfür haben meist mit Fehlstellungen der Zähne oder mit Kieferveränderungen zu tun.

Bei Meerschweinchen und Kaninchen wachsen Schneide- und Backenzähne lebenslang. Ihr Längenwachstum beträgt 2 -3 mm pro Woche und das lebenslang. Daher ist es außerordentlich wichtig, dass die Zähne kiefergerecht abgenutzt werden. Sonst entwickeln sich innerhalb kurzer Zeit massive Zahn- und Kieferprobleme. Messerscharfe Zahnspitzen entstehen, die in die Zunge oder Backenschleimhaut spießen. Überlange Zähne ändern ihre Wuchsrichtung und führen letztendlich infolge des veränderten Kaudrucks zu Eiterbildung und Verformung der Kieferknochen.

Diese schmerzhaften Prozesse verhindern das gründliche Kauen und Zermahlen der Nahrung. Die betroffenen Tiere zeigen unterschiedliche Symptome:

  • sie speicheln häufig
  • sie knirschen mit den Zähnen
  • verlieren Futterteile aus dem Maul
  • sie fressen nur noch weiches oder zerkleinertes Futter
  • zeigen Interesse an Futter, nehmen jedoch kaum Nahrung auf
  • sie trinken sehr viel, da sie versuchen, ihren Hunger mit Flüssigkeitsaufnahme zu stillen sie magern zunehmend ab

Eine alleinige Fehlstellung der Schneidezähne kommt jedoch selten vor und geht meist mit einer Backenzahnerkrankung einher!

Werden dann ausschließlich die Schneidezähne korrigiert, wird dies nicht zu dem gewünschten anhaltenden Therapieerfolg führen!

 Züchterische und genetische Faktoren, sowie ein höheres Alter spielen bei Zahnerkrankungen eine Rolle. Die häufigste Ursache ist jedoch eine nicht artgerechte, weil zu rohfaserarme Ernährung. Das heißt, generell werden leider immer noch zu viel oder sogar ausschließlich Pelletfutter, getrocknetes Brot, Körner, Mais oder Futtersnacks (Joghurtdrops, Knabberstangen, Grünrollis etc.) verfüttert. Diese Futtermittel werden beim Fressen nicht zermahlen, sondern nur zerquetscht oder gleich komplett abgeschluckt mit der Folge, dass die Zähne nicht genügend abgenützt werden. Nur rohfaserhaltiges Futter wie Heu, Gras und Kräuter wird ausreichend lange zerkaut, bevor es abgeschluckt werden kann. Durch die ausgiebige Kautätigkeit werden nicht nur die Backenzähne, sondern auch die Schneidezähne gegeneinander gerieben und gründlich abgenützt.

Eine einseitige Ernährung mit zu wenig Struktur und zu viel Kohlenhydraten führt darüber hinaus zu Veränderungen der natürlichen Darmflora. Folge sind immer wieder kehrende Durchfälle und schmerzhafte Darmgasungen (Koliken), schlimmstenfalls mit Todesfolge.

Durch veränderte Druckbelastung der Backenzähne kann es zur Lockerung von Zähnen kommen. Bakterielle Infektionen führen dann zu eitrigen Abszessen in den Kieferknochen. Werden überlange Zähne beim Kauen zu stark aufeinander gepresst, kommt es außerdem zum sogenannten „retrograden Wachstum“, das heißt, die Zähne wachsen nicht nach oben hin vom Zahnfleischrand weg, sondern werden wie Nägel weiter in den Kiefer hineingetrieben, bis sie die knöcherne Begrenzungen durchbrechen. Je nach Lokalisation zeigen die betroffenen Tiere beispielsweise im Oberkieferbereich eitrigen Augen- oder Nasenausfluss. Häufig wird dies mit Schnupfen-Symptomen verwechselt, ist jedoch Anzeichen für eine Verlegung und Entzündung des Tränen-Nasenkanals. Im Unterkiefer entstehen in der Regel die typischen murmelartigen Kieferabszesse.

Zahnprobleme bei Meerschweinchen resultieren häufig in einer „Brückenbildung“, das heißt, die Backenzähne wachsen bogenförmig über die Zunge und schränken sie in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Das aufgenommene Futter kann nicht mehr ins Maul befördert und zerkleinert werden und das Tier hungert und nimmt ab.

Diagnosestellung
Beim Heimtier lassen sich die Schneidezähne in der Regel leicht zu Hause begutachten. Bei genauer Betrachtung sind schräge Abnutzung und Überlänge gut zu erkennen.

Die Backenzähne befinden sich weit hinten in der Maulhöhle und sind ohne Hilfsmittel nicht zu untersuchen. Am wachen Tier lässt nur ungefähr die Hälfte vorhandener Zahnfehlstellungen erkennen. Backen, Zunge, Futterreste und nicht zuletzt die Unruhe und Abwehrt des aufgeregten Tieres erschweren die genaue Untersuchung. Zur genauen Abklärung ist es deshalb oft nötig, das Tier in kurze Narkose zu versetzten. Röntgenaufnahmen der Zähne und Kiefer zeigen den Zustand der Zahnwurzeln und der Kieferknochen. Damit wird eine Darstellung von über 80% der krankhaften Veränderungen erreicht.

Behandlungsmöglichkeiten
Ist die Ursache und das Ausmaß der Zahnfehlstellungen oder Kieferprobleme genau festgestellt, kann die eigentliche Behandlung erfolgen. Zahnkorrekturen werden mit zahnmedizinischen Turbinen und Fräsen durchgeführt. Aufgrund der Verletzungsgefahr, sowie dem damit verbundenen Stress kann dies nur unter Narkose erfolgen. Hierfür werden neueste Medikamente verwendet, die antagonisierbar (wiederaufhebbar) sind. Das heißt, wenn die Zahnbehandlung beendet ist, wird der Patient rasch wieder aufgeweckt. Nur auf diese Weise lassen sich langfristig gute Ergebnisse erzielen.

Das Abknipsen von Zähnen mit Seitenschneidern, Nagelzangen oder Ähnlichem ist überholt, da es hierbei leicht zu Zahnfrakturen und –splitterungen kommt. Schmerzhafte Entzündungen der Wurzel und deren Zerstörung sind die Folgen.

Defekte Zähne müssen gezogen, die leeren Zahnfächer wieder verschlossen werden. Sind nur Schneidezähne von einer Fehlstellung betroffen, können diese beim Kaninchen auch gezogen werden, ohne, dass die Lebensqualität dieser Tiere eingeschränkt ist.

Werden Zahnfehlstellungen zu spät entdeckt, sind zahnmedizinische Korrekturen häufig ein Leben lang nötig. Die Behandlungsintervalle unterscheiden sich individuell für jedes Tier. Schneidezähne müssen häufig alle 3-4 Wochen korrigiert werden, Backenzähne zwischen 1 und 5 Monaten. In der Regel verlängern sich die Intervalle nach einiger Zeit, da sich eine „normale“ Abnutzung der Zähne wieder einstellt. In einfachen Fällen kann es sogar bereits nach nur einer Zahnkorrektur und einer konsequenten Futteroptimierung zu einer langen Beschwerdefreiheit kommen.

Die artgerechte Ernährung ist das A und O für die Gesundheit von Meerschweinchen und Kaninchen. Auch wenn Zahnfehlstellungen schon vorhanden sind, ist neben einer regelmäßigen Kontrolle und Korrektur von veränderten Zähnen eine rohfaserreiche Ernährung ein Muss.

Artgerechte Ernährung

  • Grundnahrung ist Heu oder Gras, das ständig zur freien Verfügung steht
  • mehrfach täglich Grünfutter z.B. Gras, Löwenzahn, Kräuter, Blumenkohl- und Kohlrabiblätter
    • Gemüse , wie z.B. Möhre, Brokkoli, Kohlrabi, Sellerie
    • Salate, wie z.B. Endivie, Feldsalat, Ruccola
  • nur sehr wenig Obst, wie z.B. Apfel, Birne
  • kein Brot und keine Maiskörner oder Maiskolben
  • ungespritzte, frische und getrocknete Zweige von Bäumen und Büschen, z.B. von Apfel-, Birnen-, Haselnussbäumen, Johannis- oder Heidelbeerbüsche.
  • frisches Wasser immer zur freien Verfügung in Trinkflasche oder Wassernapf